SPD-Wahlkämpfer in Berlin brutal angegriffen: Staatsanwaltschaft klagt vier junge Neonazis an
Nach einem brutalen Angriff auf SPD-Wahlkämpfer in Berlin hat die Generalstaatsanwaltschaft Anklage gegen vier junge Männer erhoben. Sie müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung, tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Beleidigung demnächst vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten.
Die Männer im Alter von inzwischen 20, 17 sowie zweimal 19 Jahren sollen am 14. Dezember des vergangenen Jahres aus Halle in Sachsen-Anhalt nach Berlin gereist sein, um an der rechten Demonstration „Für Recht & Ordnung: Gegen Linksextremismus & politische Gewalt“ an der Grenze von Friedrichshain und Lichtenberg teilzunehmen. Laut Staatsanwaltschaft sind alle vier mutmaßlich der gewaltbereiten rechtsextremen Szene zuzuordnen.
An einer Bushaltestelle am Berliner S-Bahnhof Lichterfelde-Ost in Steglitz-Zehlendorf sollen sie zufällig auf zwei SPD-Mitglieder an einem Informationsstand zur Bundestagswahl getroffen sein. Eine davon war die Fraktionsvorsitzende der SPD in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf, Carolyn Macmillan.

© Montage: Tagesspiegel | Jonas Holthaus, Kitty Kleist-Heinrich
Dort sollen sie die SPD-Mitglieder bedrängt, als „linke Zecken“ beleidigt und demonstrativ eine Wahlkampfmütze eines SPD-Mitglieds auf den Boden geworfen haben.
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Dann sollen die Angreifer, die der rechten Jugendorganisation „Deutsche Jugend zuerst“ zugerechnet werden, die SPD-Mitglieder zu Boden gerissen und danach weiter auf einen von ihnen eingeschlagen und mehrfach mit Springerstiefeln eingetreten haben. Der Mann erlitt erhebliche Verletzungen am Kopf- und Körperbereich.
Einschreitende Polizisten wurden ebenfalls angegriffen. Einer wurde mit einer Glasscherbe im Gesicht verletzt, ein weiterer Polizist brach sich in der Auseinandersetzung die Hand. Die Polizisten sowie eines der SPD-Mitglieder kamen verletzt ins Krankenhaus, konnten dieses nach ambulanter Behandlung verlassen.
Berliner Staatsanwaltschaft: „Angriff auf deren rechtsextreme Einstellung zurückzuführen“
Im Zusammenhang mit dem Angriff hatten die Ermittlungsbehörden knapp zwei Wochen nach dem Angriff in mehreren Bundesländern Häuser und Wohnungen der Verdächtigen durchsucht. Rund 110 Einsatzkräfte der Länder Berlin, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hätten Durchsuchungsbeschlüsse an zehn Wohnanschriften vollstreckt, teilte die Berliner Staatsanwaltschaft damals mit. Dabei seien Handys, digitale Speichermedien, mutmaßliche Tatbekleidung, Vermummungsutensilien, gefährliche Gegenstände wie Schlagwerkzeuge und Messer sowie rechtes Propagandamaterial gefunden und beschlagnahmt worden, hieß es.

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Die Auswertung habe ergeben, „dass die Angeschuldigten einer gewaltbereiten Jugendszene zuzuordnen sind, die sich an einer rechtsextremen Ideologie orientiert“, teilte die Staatsanwaltschaft nun am Donnerstag mit. Den Männern werde vorgeworfen, „dass der Angriff auf deren rechtsextreme Einstellung zurückzuführen ist“.
Rechte Demo am 14. Dezember
Mehrere tausend Menschen hatten am 14. Dezember gegen den Demonstrationszug der Rechtsextremen protestiert. An mehreren Orten entlang der geplanten Umzugsstrecke hätten sich in der Spitze insgesamt etwa 2500 bis 3000 Gegendemonstranten versammelt, sagte ein Polizeisprecher. Dabei sei es auch zu Stein- und Flaschenwürfen auf Beamte gekommen, von denen einige dadurch verletzt worden seien.
Auf Seiten der Rechtsextremen hatten sich nach Polizeiangaben um die 60 Teilnehmer versammelt, um vom Bahnhof Ostkreuz über die Frankfurter Allee bis zur Lichtenberger Brücke zu ziehen. Angemeldet waren rund 500 Demonstranten. Von dieser Größenordnung blieb der Umzug aber weit entfernt, wie der Polizeisprecher sagte. Am späten Nachmittag waren alle Versammlungen beendet, wie die Polizei mitteilte.
Mehrfach war die Marschroute der Rechten verkürzt worden. Ursprünglich sollte sie auch über die Rigaer Straße verlaufen, wo ein teilweise besetztes Haus der linksradikalen Szene steht. Das untersagten die Behörden letztlich.
Den Gegendemonstranten gelang es, den Aufzug der Rechtsextremen an der Frankfurter Allee, Ecke Gürtelstraße zu stoppen. Die Polizei sah es als nicht verhältnismäßig an, eine Versammlung mit Hunderten Menschen zu räumen, um den Durchmarsch von wenigen Dutzend Rechten zu gewährleisten. Die Demo mit dem Titel „Für Recht und Ordnung: gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“ wurde für beendet erklärt, die Teilnehmer aus der rechten Szene wurden gesammelt zur U-Bahn geführt und fuhren von dort ab.
Insgesamt registrierte die Polizei 20 sogenannte freiheitsbeschränkende Maßnahmen, unter anderem wegen des Zeigens verfassungswidriger Symbole aufseiten der Rechten, Widerstands gegen und tätlicher Angriffe auf die Polizei. Demonstranten brannten zudem Pyrotechnik ab und steckten einen Müllcontainer in Brand. (dpa)
Der 20-Jährige habe teilweise gestanden, die anderen schweigen bislang zu den Vorwürfen, so die Staatsanwaltschaft. Der 17-Jährige sowie die beiden 19-Jährigen befinden sich in Untersuchungshaft. Der 20-Jährige ist unter Auflagen von der Untersuchungshaft verschont.
Gegen vier weitere Verdächtige im Alter von 15, 19 und 21 Jahren und eine 16-Jährige aus der rechtsextremen Szene wird noch ermittelt.